Wer seine Ziele erreichen möchte, sollte mehrere Bausteine für das Marathon-Training betrachten. Man darf nicht vergessen, dass außer der physischen Vorbereitung auch die Zielsetzung, Zielprogrammierung, Stärkung des Selbstvertrauens, Optimierung des Bewegungsablaufs, die Erregungs-Steuerung und die Aktivierung vor dem Start eine wesentliche Rolle spielen, um am Tag X sein definiertes Ziel erfolgreich zu erreichen.

Das Erste, was jede Läuferin, jeder Läufer sich vor einem Marathon-Training gut überlegen sollte, ist ein konkretes Ziel. Denn Zielsetzung ist nicht gleich Zielsetzung. Daher das Ziel SMART formulieren! Was versteht man unter SMARTen Zielen?

S – SPEZIFISCH: Konkret formulierte Ziele helfen dir bei der mentalen Vorbereitung, wie den Visualisierungen und bei der Trainingsdisziplin.

M – MESSBAR: Benenne qualitative Kriterien, anhand derer du deine Zielerreichung feststellen kannst. Die Motivation wird gesteigert, wenn man Fortschritte sieht.

A – AUSFÜHRBAR/ATTRAKTIV: Was ist deine Motivation? Deine Ziele sollten herausfordernd sein, gleichzeitig aber auch erreichbar! Überlege dir, welche Werte für dich treibend sind, warum möchtest du dein Ziel erreichen? Was lenkt dich?

R – REALISTISCH: Es ist wichtig, die Ziele ambitioniert zu setzen. Noch wichtiger ist aber, dass sie realistisch und umsetztbar sind! Hier hilft ein guter Trainingsplan, der genau an dich angepasst ist!

T – TERMINIERT: Wenn du dir für das Erreichen deiner Ziele einen realistischen Zeitrahmen setzt, steht dir nichts im Wege, den Fokus zu halten! Möglicherweise könntest du schon nach nur einem Trainings-monat einen Marathon laufen – und dir gesundheitlich schaden. Das ist es nicht wert.

Die letzten Wochen vor dem Marathon

ZIEL-VISUALISIERUNG

Visualisiere dein Ziel mit Hilfe einer Meditation mit allen deinen 5 Sinnen (VAKOG):

V – Visuell (sehen)

A – Auditiv (hören)

K – Kinästhetisch(fühlen)

O – Olfaktorisch (riechen)

G – Gustatorisch (schmecken)

Stelle dir vor, wie es sich anfühlen wird, wenn du das Ziel passierst. Welche Geräusche, Stimmen, Musik hörst du? Was siehst du? Vielleicht schmeckst du den salzigen Schweiß auf deiner Zunge? Wie fühlen sich die Emotionen an? Du kannst die Intensität der Geräusche, Gerüche und sonstige Wahrnehmungen ändern und sogar ausblenden. Dreh dein Kopf-Kino langsam oder besonders schnell! Betrachte dich von außen und sieh, wie stolz und glücklich du bist! Die Vorstellung einer erfolgreichen Zukunft ist eine sehr wichtige Säule, um dein Ziel zu erreichen.

BEWEGUNGSABLÄUFE TRAINIEREN

Wer seine Bewegungsabläufe visualisiert, der wird weniger Stress beim Wettkampf erleben.  Die erzielte Wirkung bei der bewussten intensiven Vorstellung von Bewegungsabläufen hängt davon ab, wie lebhaft die Visualisierung gelingt – wie gut es gelingt, sich in die Bewegung hineinzuversetzen und die inneren Prozesse nachzuempfinden. Dafür kannst du dich selbst fragen, wie du zum Beispiel aussehen würdest, wenn alles rund läuft. Wie würden andere Menschen dich wahrnehmen? Was würdest du genau tun und wie würde es sich genau anfühlen?

Für ein wirksames Resultat ist ein Wechseln zwischen mentalem Training und dem wirklichen Training wichtig. So kannst du die Handlung in der Vorstellung immer wieder mit der ausgeführten wirklichen Handlung abgleichen und dich immer weiter verbessern. Also überlege, wie dein Training verlaufen wird, schon davor! Nimm dir ein paar Minuten Zeit, dich vor dem Training durch eine für dich angenehme Atemübung zu entspannen, und stell dir dabei vor, wie dein Training sich anfühlen wird.

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Bei einem Marathon es ist wichtig, sich nicht von außen ablenken zu lassen. Die Konzentration darauf, das Tempo zu halten, nicht zu schnell oder zu langsam unterwegs zu sein, nennt man Fokussierung. Wer auf sein Ziel fokussiert bleibt, wird auch das Ziel erfolgreich erreichen. Während der 42,195 km kann viel Unerwartetes passieren. Solltest du das Gefühl haben, dass du nicht bei dir bist, beobachte, was um dich herum passiert – und zwar ohne darüber nachzudenken oder zu urteilen. Erinnere dich, dass du vieles wie dein Tempo, Schrittfrequenz, Essen und Trinken selbst steuern kannst – sowie auch dein Denken. Nutze dieses Tool aus, steuere dein Denken, bleib bei dir, erinnere dich daran, wie gut vorbereitet du bist, und bleib fokussiert! Die Erinnerung an die Atemübungen, die du vor deinen Trainingseinheiten ausgeführt hast, kann deine Gedanken und deinen Fokus wieder in Balance bringen.

AFFIRMATIONEN/ MANTRAS ÜBERLEGEN

Gedanken kommen und gehen, wenn man sich nicht fokussiert und auf die „Aufgabe“ konzentriert. Daher ist es wichtig, die positiven Gedanken in sich steuern zu lernen. Die Steuerung durch Selbstgesprächsregulation, Selbstbefehle bzw. Selbstinstruktionen haben einen großen Einfluss auf unseren Wettkampf und auch auf das Training. Überlege und schreibe dir positive Bekräftigungen auf, die du dann in einer kritischen Situation laut oder in Gedanken zu dir sagen kannst. Zum Beispiel: „Fokus“, „Locker atmen“, „Zieh durch!“, „Nach vorne schauen“, „Glaub an dich“, „Kopf hoch“ und andere, die für dich glaubwürdig sind. Diese solltest du schon im Training einsetzen. Statt Wörtern und Sätzen können es auch Bilder und Symbole sein, die dich positiv einstellen. Die kannst du auf deinen Arm schreiben oder zeichnen. Übe die Konzentration mittels Selbstinstruktion im Training, bevor du sieim Wettkampf anwendest!

GEDANKENSTOPP

Sollten dich in einer kritischen Situation negative Gedanken nicht loslassen, sag dir selbst laut oder leise „Stopp“. Du kannst an das Schild im Straßenverkehr denken oder an eine rote Ampel. Vielleicht findest du eventuell eine passende Geste, die das „Stopp“ für dich symbolisiert. Überlege dir eine positiv formulierte Handlungsanweisung, die dein Selbstvertrauen stärkt, und sage sie dir laut vor! Negative Gedanken schnellstmöglich zu stoppen ist sehr wichtig, um deinen Wettkampf erfolgreich zu beenden. Das gilt auch für das Training: Es ist wichtig, ein gutes Gefühl mit sich in den Wettkampf zu bringen. Am Start zu stehen mit dem Gedanken, bei deiner letzter Intervalleinheit aufgegeben zu haben, wird bei einem Tief im Wettkampf nicht helfen.

RESSOURCEN

Ressourcen sorgen dafür, dass wir in schwierigen Situationen Orientierung und Halt finden, nehmen uns die Angst vor dem Unbekannten, weil sie uns vertraut sind, bieten uns Geborgenheit und Selbstvertrauen.

Die Ressourcen können aus unterschiedlichsten Lebensbereichen stammen. Überlege dir konkrete Situationen, wann du in deinem Leben erfolgreich warst oder ein sehr positives Erlebnis hattest. Frage dich, wobei dir diese Ressource geholfen hat und was sie so wertvoll für dich macht. Setzte sie in jeder passenden Situation ein, visualisiere sie so intensiv wie möglich! Überlege, was auf dich am stärksten wirkt. Nimm dir vor: Wenn im Wettkampf die Situation x eintrifft, dann mache ich y.

Für eine stärkere Wirkung trainiere dies schon vor dem Wettkampf! Für mentales Training gilt ähnlich wie für die Ernährung: Alles, was man während des Wettkampfs anwendet, sollte man schon vorher ausprobiert, in diesem Fall geübt haben!

ROUTINEN & RITUALE ETABLIEREN

Bei den Wettkämpfen kannst du von jeder deiner im Training angelernten Routinen profitieren. Regelmäßiges Training von Routinen kann dir entscheidend dabei helfen, die Leistung zu stabilisieren und in den kritischen Situationen deine Fähigkeiten abrufen zu können. Aber Achtung: Eine Routine sollte so trainiert und verinnerlicht sein, dass du sie an wechselnde Rahmenbedingungen, wie kürzere Aufwärmzeit, zu enger Startplatzbereich oder Wetterwechsel, anpassen kannst.

Bei der mentalen Vorbereitung auf einen Wettkampf ist das Ritual ein sehr wichtiger Bestandteil. Unmittelbar vor dem Wettkampf ist die psychische Belastung am höchsten. Rituale helfen, dich abzulenken! Wenn du am Tag X dein Potenzial voll ausschöpfen möchtest, praktiziere deine Rituale bewusst und ziehe Nutzen daraus! Du kannst den Stress und die Angst vor einem Wettkampf mit einem Ritual reduzieren! Mach dein Aufwärmprogramm zu einem Ritual, das du auch am Wettkampftag ausführen wirst. Das vermittelt Sicherheit. Überlege dir dein Ritual am Abend vor dem Wettkampf – visualisiere nochmals, wie du zum Start kommst. Plane voraus, was du zum Frühstuck isst, am besten teste das schon beim Training. Überlege dir nochmals, was du beim Wettkampf trinkst und isst – und vor allem wann! Das Vorausplanen spart dir unnötigen Stress! Bereite dich mit diesen Ritualen auch schon auf deine Trainingseinheiten vor! So wirst du am Wettkampftag ohne Hektik zum Start kommen!

Wichtig ist, schon vor dem Wettkampf Lösungen und Bewältigungsstrategien für kritische Situationen oder erschwerte Bedingungen, wie z. B. unerwarte Wetterbedinungen, zu haben. Dein Vorbereitungsplan sollte alle Schritte und Rituale beinhalten, die deine optimale körperliche, mentale, technische und taktische Vorbereitung gewährleisten, sodass du mit einem größtmöglichen Selbstvertrauen an den Start gehen kannst. Überlege dir, wie du mit äußeren Bedingungen umgehst. Am besten trainierst du auch bei schwierigen Bedingungen (wie Regen, starker Wind etc.), damit dein Gehirn sich an solche Herausforderungen anpassen kann. Also schon vor dem Wettkampf überlegen: Was tue ich, wenn es zu heiß ist oder wenn starke Regenschauer angesagt werden? Wie gehe ich mit Magenbeschwerden um? Welche Getränke/welches Essen nehme ich zu mir, sollte mein Magen mich aus irgendwelchen Gründen im Stich lassen? Wie stärke ich mein Selbstvertrauen, sollte das Tempo nachlassen? Wie gehe ich mit plötzlichen körperlichen Schmerzen um?

Und noch etwas sehr Wichtiges: dein Schlaf! Achte darauf, dass du in der Woche vor dem Marathon ausreichend Schlaf bekommst. Mach es zu einem Ritual, die Emotionen, die du beim Wettkampf erleben wirst, in dich „einzufühlen“. Vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen.

UNMITTELBAR VOR DEM MARATHON

Du stehst an der Startlinie! Genieße es! Lass das Adrenalin in dir wirken, aber sei vorsichtig, bewahre trotzdem Ruhe! Die meisten starten mit einem zu hohen Tempo, was am Anfang atemberaubende Gefühle entstehen lässt. Später wirst du aber dafür „bezahlen“ müssen. Bei einem Marathon wirst du nicht andauernd Glücksmomente erleben. Aber wie  viele Höhen oder Tiefen kommen werden, kannst du mit einem gezielten Mentaltraining vor dem Wettkampf steuern. Da geht es nicht nur um die physische Vorbereitung. Das Laufen ist und bleibt auch Kopfsache. Nimm dir Zeit für dich, blicke zurück auf den Weg zu diesem Moment, erinnere dich daran, wie gut du vorbereitet bist. Jetzt ist die Zeit, die Früchte deiner Arbeit zu pflücken! DU hast deine Rituale etabliert, DU befindest dich in deiner Mitte, weil DU schon weißt, was zu tun ist. Lass dir die Hektik um dich nicht im Weg stehen.

WÄHREND DES MARATHONS

Bleib konzentriert und führe deine Selbstgespräche, wenn du dich aus deiner Mitte verlierst. Ich finde, Selbstgespräche sind die besten Begleiter während eines Marathons. Statt eine Ablenkung bei anderen Läufern zu suchen, rede mit dir selbst! Wer positiv denkt, schaut nach vorne, wer nach vorne schaut, bewegt sich in Richtung des Ziels!

Zahle auf dein Selbstwert-Konto ein, indem du dich selbst lobst. Bedanke dich bei deinem Körper, dass du ein tolles Training durchziehen konntest, indem du jetzt beim Marathon dein Bestes gibst!

Erinnere dich an erfolgreiche Momente (nutze auch deine Ressourcen), wenn du das brauchst. Du hast sicherlich auch bei Intervalltrainings das eine oder andere Tief überwinden können oder deinen „inneren Schweinehund“ bei Lustlosigkeit besiegt. Lass das Gefühl starker Momente dich weitertragen.

Und wenn ein Augenblick eintritt, wo die Erschöpfung so stark ist, dass du keine Gedanken mehr steuern kannst, dann suche nach jemandem vor dir, der dein Tempo läuft und halte dich fest an deinem „Pacemaker“. Wenn das Tief vorbei ist, kannst du wieder mit dir und deinen Gedanken die Strecke genießen.

Erinnere dich an deine Vorbilder! Wenn dein Tempo nachlässt, denke an deinen Laufhelden/deine Laufheldin! Visualisiere ihn oder sie vor deinen Augen, wie er/sie beim Laufen aussieht, lass seine/ihre Bewegungen dich inspirieren. Unbewusst übernimmt dein Körper die Leichtigkeit, die dein Laufheld/deine Laufheldin beim Laufen ausstrahlt, und automatisch bewegst du dich schneller weiter, ohne die Anstrengung wahrzunehmen. Das solltest du auch schon vor dem Wettkampf trainieren, damit die Wirkung am Tag X auch wirklich stark ist.

Blicke zurück und feiere! Frage dich, was hast du gelernt, was kannst du dir für das nächste Rennen mitnehmen! Wir alle wissen: nachdem Rennen ist vor dem Rennen. Mit jeder Erfahrung wirst du stärker.

Und nicht vergessen: Tu was du tust ganz – und du wirst dein Ziel erreichen!

 

Dieses Artikel habe ich für das Running&Fitness Magazin Ausgabe 113 März 2023 geschrieben https://running.co.at

Erfolg im Marathon Diana Dzaviza

Erfolg im Marathon Diana Dzaviza

Marathonerfolg Diana Dzaviza

Marathonerfolg Diana Dzaviza